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Osterspecial - Spiel am Ostersamstag

                                                                                                                                           by  Sybille B. Lindt

Nach dem langen Winter und der Schneeschmelze im März warteten wir Kinder der ostbrandenburgischen Kleinstadt ungeduldig auf die Osterzeit. Nicht nur wegen des Osterhasen, der die bunten Ostereier versteckte und uns suchen ließ. Ostern bedeutete für uns Kinder des Neubaukarrees auch, die ersten Kniestrümpfe tragen zu dürfen und wieder mit den anderen Kindern draußen zu spielen. Vor dem Haus mit bunten Glasscherben Hopse, auf der Straße Völkerball, im Hof Ballspiele wie "Halli-Hallo" und an der Giebelseite des Hauses das Spiel mit Murmeln und Buggern. Ein außerordentlich beliebtes Spiel während meiner Kindheit in den 50ern. Ich weiß nicht, ob es heute noch gespielt wird, ich sehe keine murmelspielenden Kinder mehr. Zum Buggerspiel trafen sich die Kinder aus fünf Eingängen unseres langen Blocks und Kinder aus den zwei Aufgängen des kurzen Seitenblocks hinter der rechten Giebelseite des großen Neubaus. Auf der halbrunden Fläche vor der grauen Giebelwand wuchs das Gras nur spärlich, überall gab es kleine und größere Flecken aus festgestampftem Lehm. Hier hatten schon Kinder vor uns ein Loch ausgehoben, um das sich Spielwillige und Zuschauer versammelten. Unsere Spielutensilien waren Glaskugeln mit farbigen bizarren Einschlüssen, die wir Bugger nannten. Die großen Bugger waren die Zwanziger, kleinere Glaskugeln die Zehner. Kugeln aus Stahl galten als Zehner und kleinere Stahlkugeln als Fünfer. Murmeln aus Ton waren die Zweier oder Einser. Warum diese Werteskala so war und wer sie erfunden hatte, darüber machte sich niemand von uns Gedanken. Die Zählung lernten wir von den Älteren und sie wurde nie verändert, solange ich Kind war. Dass das Murmelspiel schon von Kindern im Alten Rom gespielt wurde und in der Welt weit verbreitet war, erfuhr ich erst später aus dem Internet. Die Bugger, Stahler und Murmeln wurden von einem festgelegten Abstand rund um das Loch ausgeworfen und dann abwechselnd mit dem gekrümmten Zeigefinger in das Loch gerollt. Schaffte der erste Spieler eine Kugel nicht bis ins Loch, kam der nächste dran. Wer es schaffte, die letzten ausgeworfenen Kugeln in das Loch zu schieben, war der Sieger und durfte alle Kugeln aus dem Loch mitnehmen. Es war ein bisschen wie Golf spielen, nur ohne Schläger.

An einem kühlen Ostersamstag war der Boden gerade hart genug zum Spielen. Solange die Erde vom Winter oder dem Regen im Frühling aufgeweicht war, mussten wir Kinder warten, die Bugger rollten noch nicht, versanken in dem weichen Matsch. Es war das erst Buggerspiel im Frühjahr 1958 und ich zählte gerade neun Jahre. Am Nachmittag des Ostersamstages versammelten sich Hans-Jürgen, Uwe und Uli vom zweiten Eingang, Helmut vom vierten, Bodo und ich vom ersten und Gerd vom rechten Seitenblock am Buggerloch. Am Ostersonntag mussten wir bei unseren Familien bleiben, doch am Samstag, wenn die Eltern noch bei den Festvorbereitungen waren, durften wir mit den anderen Kindern draußen spielen. Ich mochte das Spiel mit Buggern und Murmeln, spielte es wahnsinnig gern. Mein mitgebrachter Kniestrumpf war halb voll mit Buggern, die ich mühevoll in den Spielen des letzten Jahres erworben hatte. Und heute war ich die Jüngste am Buggerloch, die Jungen zählten schon elf, zwölf und dreizehn Jahre. Doch beim Buggerspiel konnte mit ein bisschen Glück auch ein kleiner gewinnen. Und das Glück ward mir an diesem Samstagnachmittag hold, ich gewann. Noch nie hatte ich solch eine Glücksträhne an einem einzigen Tag! Ich gewann und gewann und gewann! Die größeren Jungs guckten wütend und recht bedeppert. Am Ende war mein Kniestrumpf prall gefüllt. Ich besaß nun neunzig Bugger, große und kleine. "Komm Billa, wir gehen jetzt mit deinem Schatz nach Hause!", riet meine ältere Schwester Lore und zog mich am Ärmel. Ich machte mich los, wollte unbedingt bleiben. Wenn ich heute so ein Glück hatte, konnte ich sicher noch viel mehr gewinnen. Lore gehörte schon zu den Halbstarken, sie spielte nicht mehr mit Buggern. Sah jedoch interessiert zu, wegen mir? Na mehr noch wegen der älteren Jungs, die hinter den Buggerspielern standen, sie laut anfeuerten und Tipps gaben. Warum nur habe ich "dumme Liese" nicht auf die ältere Schwester gehört?! Ich war wie benebelt von meiner Glückssträhne, dass ich immer weiter spielen wollte, spielen musste. Dabei hatte ich doch mehr als genug gewonnen! Plötzlich wendete sich das Blatt. Ich verlor. Verlor ein Spiel nach dem anderen. Verlor am Ende alle meine schönen an vielen Spielnachmittagen schwer erworbenen Bugger. Einige besonders schöne waren auch durch Tausch in meine Hände gelangt. Alle Glaskugeln, mit denen ich angetreten war, kannte ich einzeln. Die schönen Kugeln waren für mich auch Objekte zum Anschauen. Ich verbrachte im Winter ohne Buggerspiel Stunden damit, die eingeschlossenen Muster der Glaskugeln zu betrachten, stellte mir vor, wie sie entstanden waren, gab ihnen Phantasienamen. Auch jetzt hörte ich nicht auf Lore, die mir zuflüsterte: "Billa, hör sofort auf, wir gehen mit den Buggern, die du noch hast, sofort nach Hause." Als es bereits dunkelte, borgte ich mir von Hans-Jürgen noch drei Murmeln, insgesamt ein Fünfer, in der Hoffnung, ich könnte das Blatt noch wenden, meinen Gewinn zurückholen. Doch ich verlor auch diese Runde. Nun hatte ich keinen einzigen Bugger mehr in dem Kniestrumpf und drei Murmeln Schulden. Einige Jungen grinsten schadenfroh, anderen wie Hans-Jürgen tat ich leid. Doch so ist nun mal das Spiel, es gibt immer Gewinner und Verlierer. Als ich mit Lore heimging, war mir so schrecklich zum Heulen zumute. Warum nur hatte ich nicht auf meine große Schwester gehört, die mich so oft gewarnt, mich von dem Spiel wegziehen wollte? Ich war blind und taub gewesen gegen jede Warnung. Es tröstete mich auch nicht, dass ich am Ostersonntag eine wunderschöne Glaskugeln in einem Osternest fand. Nach diesem verlorenen Ostersamstag habe ich nie wieder mit Buggern gespielt. Bis zu dieser Katastrophe war es mein Lieblingsspiel draußen gewesen. Doch das ruhmlose Ende dieses Spiels war mir eine Lehre fürs Leben. Ich begriff unbewusst, dass ich süchtig werden konnte und auf mich aufpassen musste. Lernen musste, rechtzeitig aufzuhören, um nicht in große Verluste oder Schwierigkeiten zu geraten. Ich habe mich auch später nie auf Wettspiele eingelassen, selbst wenn sie mich interessierten. Die Angst nicht mehr aufhören zu können, saß mir immer im Nacken.

 

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Osterspecial 2021

Die ersten weißen Kniestrümpfe

                                                                     by   Sybille B. Lindt

Als ich ein Kind war, lebte ich in einer Kleinstadt am Rande des Oderbruches, wo Temperaturen von -20° C im Winter keine Seltenheit waren und eine dichte Schneedecke ebenso. Doch wenn der Schnee zu tauen begann, wir nicht mehr die Berge herunterrodeln konnten und alle ungepflasterten Wege matschig wurden, dann sehnten wir Kinder uns nach  dem Frühling. Nach Vogelgesang und den ersten Schneeglöckchen und Veilchen. Danach, dass es endlich wärmer wurde und wir die ersten Kniestrümpfe anziehen durften. Tragen Kinder heute eigentlich noch Kniestrümpfe? Vielleicht unter Hosen? In meiner Kindheit in den 50 ern trugen wir sie stolz. Denn wenn die Zeit der Kniestrümpfe begann, konnten wir uns von den ausgebeulten Trainingshosen und den warmen Strickstrümpfen, die an Leibchen befestigt wurden, endlich befreien.

Wenn es um den 1. April herum warm war, dann durften wir am ersten Sonntag im April weiße Kniestrümpfe anziehen. Darauf waren wir Kinder des Neubaus sehr stolz. Und bedauerten die Ärmsten, denen die Mütter noch keine Kniestrümpfe erlaubt hatten. Wenn es Anfang April noch zu kalt war, dann wurde Ostern der Termin für die ersten weißen Kniestrümpfe.

Wir freuten uns auch auf die ersten Kniestrümpfe, weil das der Beginn unserer Spielzeit vor dem Haus und auf dem Hof mit den Nachbarskindern bedeutete. Wir endlich unsere spiele nach draußen verlegen durften. Vor dem Haus spielten wir Hopse mit Glasscherben, mit Buggern und Murmeln oder "Herr Fischer, Herr Fischer, wie tief ist das Wasser" und "Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?", mit dem Ball "Halli-Hallo!", Ballspiele an der Hauswand und abends mit den Großen Völkerball auf der Straße. Nur selten verirrte sich damals ein Auto in unsere Kleinstadt. Völkerball war ein Wettkampf für alle, Groß und Klein spielten in einer Mannschaft. Die Mütter, einige Väter und Nachbarn standen vor den Haustüren beisammen, tratschten und feuerten uns beim Spiel an. Auf dem Hof des Neubaukarrees standen viele unübersichtliche Schuppen und Holzstapel, ideal zum Versteckspiel. An unserer Ecke hatte Großmutter eine Trauerweide gepflanzt unter der wir Kinder uns auf Decken im Grase zusammenfanden, mit unseren Puppen spielten, Bücher lasen oder darüber sprachen. Es war damals noch eine Zeit ohne Fernseher, CD-Player, Computer, Workman und Smarthphone und doch fehlte uns nichts, wenn wir nur ohne die Erwachsenen spielen durften. Wir waren so mit dem Spielen beschäftigt, dass die Zeit bis zum Abendbrot, wenn Großmutter zum Essen rief, uns immer viel zu kurz vorkam.

Zu Ostern machten wir tatsächlich immer einen Osterspaziergang mit der Familie. Als meine jüngere Schwester und ich so im vorschul- und Grundschulalter waren, spazierten unsere Eltern Ostern mit uns in das fünf Kilometer entfernte Nachbardorf Gusow, um dort eine mit den Eltern befreundete Lehrersfamilie zu besuchen. Dort war es immer lustiger als bei uns zu Hause. Der Vater spielte volkstümliche und lustige Lieder auf der Geige, die wir Besucher-Kinder begeistert mitsangen. Sicher hatte dieser begnadet leicht spielende Lehrer seinen Anteil daran, dass ich später auch das Geigenspiel erlernen wollte. Es aber nie zu seiner Vollkommenheit brachte. Einfach so, die Geige zu nehmen und aus dem Hut, locker und mit viel Gefühl und Temperament aufzuspielen, ganz ohne Noten. Unterwegs gab es für uns Kinder natürlich immer das eine oder andere Osterei am Straßenrand zu suchen. Die plötzlich auftauchten, ohne dass wir bemerkten, ob der Osterhase oder Mutter sie versteckt hatten. Wenn wir wieder nach Hause kamen, waren wir mit fünf oder sechs Jahren zehn Kilometer am Tag gelaufen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal schlapp machten oder die Strecke als anstrengend empfanden. Wir wussten damals allerdings auch nicht wie weit der Weg war, wie viele Kilometer wir gelaufen. Als das nette Lehrerehepaar aus dem Dorf wegzog, machten wir mit der älteren Schwester und unseren Verwandten, die aus Berlin oder Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt oder aus einem Dorf bei Magdeburg Ostern zu Besuch gekommen waren, auf der Anhöhe vor der Stadt einen Osterspaziergang. Wir streiften durch die Berge bis zum 

weit sichtbaren Ehrenmal, für die bei der letzten großen Schlacht vor Berlin im Oderbruch gefallenen Sowjetsoldaten. Den riesigen bronzenen Soldat mit einem Gewehr vor der Brust schuf der bekannte russische Bildhauer Lew Kerbel im Herbst 1945. Das Denkmal, wie die Einheimischen das Ehrenmal nannten, war ein beliebtes Foto-Motiv bei Spaziergängern, ohne dass wir uns als Kinder des Hintergrundes bewusst waren oder drüber nachdachten. Der Berg mit dem Ehrenmal, der in den Abendstunden gern von Liebespaaren aufgesucht wurde, hieß bei den Einheimischen "Verschönerungsberg". Nach dem Denkmal spazierten wir zum Bahnhof, der zwei Kilometer von der Stadtmitte entfernt war und setzten uns in das Gartenlokal des Bahnhofs, das oft mit bunten Glühbirnen, Birkenreisern und Lampions geschmückt war. Hier bekamen wir Kinder die ersehnte himbeerrote Brause. Die Ostereier hatten wir schon unterwegs in den Bergen gefunden, sie lagen plötzlich im Grase als bunt gefärbte Eier oder winzige Schokoladen-Eier oder kleine Schoko-Osterhasen. Auch bei diesen Spaziergängen durch die Berge über das Denkmal zum Bahnhof und wieder in die Stadt zurück merkten wir Kleinen die Kilometer in den Beinen nicht.

Auch zu Ostern trugen wir stolz unsere weißen Kniestrümpfe. Ein Malheur war nur, wenn wir beim Spielen und Toben in eine Dreckpfütze stolperten und mit völlig verschmutzten nicht mehr weißen Kniestrümpfen nach Hause kamen. Dann schimpfte Mutter uns aus, obwohl es doch Ostern war und sie das hätte voraussehen könne. Mit weißen Kniestrümpfen so zu spielen, dass sie nachher noch schneeweiß aussahen, das schaffte kein Kind aus unserem Haus.

 

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Die Buchleserin und ihre blitzgescheite Tochter

In einer Zeit, da das Lesen von Büchern noch eine weit verbreitete Art war, seine Freizeit zu verbringen, lebte eine mittellose Frau mit ihrer zehnjährigen Tochter in einem winzigen Haus am Rande der kleinen Stadt. Das schlichte Häuschen hatte die Frau von ihren Großeltern geerbt  und ein altes Fahrrad, sonst  keine weiteren Güter.  Die Zeiten waren schlecht und die einzige Fabrik in der  Stadt hatte schon lange schließen müssen. Und so sehr die Frau sich auch bemühte, sie konnte keine Arbeit mehr finden. So musste sie sich nach der Decke strecken, um für sich und ihr Kind das Notwendigste für Essen, Kleidung und sonstige  dringende Ausgaben bereithalten zu können. Durch den kleinen Garten am Haus konnte sie ein bisschen auf dem Markt dazuverdienen, doch an einen Theaterbesuch oder ein Konzert, wie es in jener Zeit üblich war, bei den Leuten, die noch Arbeit in den Ämtern der Stadt hatten, war nicht zu denken. Wenn am Ende des Monats mal ein paar Silbergroschen übrig blieben, schenkte die Frau  ihrem Töchterchen etwas, was es sich schon lange wünschte: eine Eistüte, Kinderschokolade oder ein Büchlein zu herabgesetztem Preis. Doch auch die Mutter, die sonst nicht klagte, hatte Sehnsüchte und Wünsche. Sie war in der Kindheit rasch eine begeisterte Buchleserin geworden, aber auch bei den Großeltern, wo sie aufgewachsen, war Schmalhans Gast gewesen. So bekam sie nur selten das, was sie sich am meisten wünschte: ein Buch. Nur am ersten Schultag, zu ihrem fünften, zehnten und 15. Geburtstag und zu weiteren runden Geburtstagen schenkten ihr die Großeltern ein Buch . Jetzt war sie vierzig, also kannst du dir ausrechnen, wie viele Bücher die Frau in ihrem Schrank hatte. Richtig, es waren genau sieben und das waren viel zu wenige für eine Leseratte. Gewiss  besuchte die Frau später auch die Leihbücherei und borgte sich auch Bücher von Freundinnen, aber das war nichts gegen ein Buch, welches sie ihr eigen nennen und so oft lesen konnte wie sie wollte und wann sie wollte. So kam es , dass die Mutter jedes Mal seufzte, wenn sie dem Töchterchen ein Büchlein schenkte. "Ach wie gern hätte ich meine Lieblingsbücher von früher wie "Das schüchterne Lottchen", "Der Anderl" oder "Die Sache mit Päker". Die Tochter konnte die Seufzer der Mutter bald nicht mehr hörten, weil diese sie traurig machten, es war drei Wochen vor Weihnachten.  So radelte das Mädchen die Straße hinauf bis zur nächsten Ecke, ging in den großen Computerladen, um sich abzulenken, sich die Neuheiten anzusehen. Da traf das Mädchen im Geschäft eine wohlbetuchte ältere Dame, die sich mit ihren Computer-Fragen freundlich an die Kleine wandte. Die frau hatte bei einem Kaffeekränzchen gehört, dass Kinder Anfängern den Computer am besten erklären können. Und weil sie selbst keine Kinde und Enkel besaß, fragte sie nun das kleine Mädchen im Laden. Als die Kleine ihr so blitzgescheit , verständig und drollig Antwort gab, war die Dame ihr so zugetan, dass sie dem Mädchen eine winzige Kreditkarte schenkte, womit es sich etwas kaufen sollte, was sich die Kleine  am meisten wünschte. Das Mädchen, welches noch nie  einen Computer selbst besessen, sich aber mit der Technik auskannte, die es in der Schule gelernt hatte, kaufte sich ohne zu zögern einen Computer und bedankte sich artig bei der wohlhabenden älteren Dame.  Die Kleine setzte den Computer auf das alte Fahrrad und schob es nach Hause. "Hier Mama", sagte die Tochter, "jetzt können wir dir ein Buch aus der Internet-Buchhandlung "Schöne alte Bücher - preiswert!" das Buch  aus deiner Kindheit kaufen. Sie gab den Titel "Das schüchterne Lottchen" ein und siehe da, das Buch war noch vorhanden und durfte bestellt werden. Dann klickte die Kleine auf den Balken "Mit dem Einkaufswagen zur Kasse gehen", gab die Nummer der winzigen Kreditkarte ein und es dauerte nur zwei Tage, da stand der Postbote mit dem Buch vor der Tür. Auch eine Kinderfreizeit konnte das Mädchen nun dank der wundersamen Karte der alten Dame bezahlen. So fuhr es mit seinen zwei besten Freundinnen in ein Kinderfreizeithaus auf eine Nordseeinsel. Zu Weihnachten wollten die Mädchen zurück sein. Doch die Mutter hielt es keine drei Wochen aus, ohne ein neues Buch zu bestellen und setzte sich am nächsten Tag an den Computer, schaltete ihn ein, suchte das Buch "Der Anderl" auf der Internetseite "schöne alte Bücher - preiswert!" aus, dann das Jugendbuch "Die Sache mit Päker" und dann "Die wunderbaren Jahre" eine Buch von früher für Erwachsene. Und jedes Mal klickte die Mutter zum Schluss auf den Balken "Mit dem Einkaufswagen zur Kasse gehen" und gab die Nummer der kleinen Kreditkarte ein. Doch nun kam sie nicht weiter. Sie hatte vergessen wie sie das Portal wieder verlassen und den Computer schließen konnte. Die Tochter hatte ihr mit strenger Miene gesagt, dass sie den Computer nicht einfach ausknipsen dürfe, weil er dann kaputt ginge. Die Mutter müsste einen bestimmten Pfad einhalten, und der fiel ihr nicht mehr ein. So blieb der Computer und das Portal "Schöne alte Bücher - Preiswert!" an und jeden Tag entdeckte die Mutter neue Bücher aus ihrer Kindheit und Jugend und weitere, die sie sogleich bestellte und nach höchstens zwei Tagen auch erhielt. Da füllte sich das Wohnzimmer, das kleine Stube der Tochter, die Küche, der Hausflur  und der Weg zur Gartenpforte mit Paketen. Und als das Kind aus der Kinderfreizeit zurückkam, brauchte es einen ganzen Tag, um sich einen Weg zur Mutter zu bahnen. Das Mädchen schaltete den Computer richtig aus, öffnete die Pakete, stapelte die Bücher an den Wänden der Wohnung. Jene, die nicht mehr ins Haus passten, legte die Kleine in eine offene Kiste vor der Gartenpforte und schrieb an die Kiste: "Vom Weihnachtsmann, für alle, die Bücher mögen!". Und da kamen nach und nach auch andere nicht wohlhabende Leute, die in ihrer Kindheit und Jugend nur wenige Bücher geschenkt bekommen hatten und nahmen sich ein oder zwei Bücher aus der Kiste mit. Und erst als sie leer war, bestellte das Mädchen zusammen mit der Mutter neue Bücher, von denen die beiden einige behielten und andere in die Kiste gaben. Auch sonst hatte die Not nun ein Ende. Die Mutter gab  einen Teil ihrer Bücher an die Bücherei als Leihgabe ab und bekam dafür einen feinen Job als Bibliothekarin, denn niemand in der Stadt kannte sich so gut in Büchern aus wie sie. Die Tochter wurde eine weltbekannte Computerspezialistin, sah den Computer aber auch kritisch und diskutierte auf internationalen Kongressen leidenschaftlich zu dem Thema "Die Verbesserung der Volksgesundheit im Computerzeitalter durch lange Spaziergänge und das Lesen von Büchern." Die kleine Kreditkarte aber, das Geschenk der wohlbetuchten älteren Dame wurde seltsamerweise weder zu Lebzeiten der Mutter noch zu Lebzeiten der Tochter leer. Und was danach geschah, wäre schon wieder ein neues Märchen.   

 

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