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3. Kinderbuch ab 10 J

Boyce, Frank Cottrell: Broccoli-Boy. Retter der Welt/ Aus dem Engl. - 1. Aufl. - HH: Carlsen, 2016. - 350 S.; 14,99€                                                                                                                                               ab 10 J

 Rory Rooney aus dem Buch "Broccoli-Boy" von F.C.Boyce wohnt in Birmingham. Er ist der Kleinste und Tommy Lee Kamissky, den alle nur Grim nennen, weil er so grimmig aussieht, ist der Größte und Stärkste in seiner Klasse, außerdem ein guter Kickboxer. Doch Grim misst sich nicht mit Jungen seiner Größe, sondern er mobbt den kleinen Rory Rooney. So nimmt er ihm ständig die Pausenbrote weg, schubst Rory aus dem Schulbus und verpasst ihm nach Belieben Rippenstöße. Rorys Vater rät dem Sohn, den Größeren mit Intelligenz zu schlagen. Doch Rory hat dabei keinen Erfolg. Auch, dass seine Schwester Ciara für Grim Brote mit extrem scharfer Soße bestreicht, bringt nichts. Doch der beigelegte Schokoladen-Crips-Keks muss nicht in Ordnung gewesen sein, denn Grim verfärbt sich und kommt sofort ins Krankenhaus. Nun heißt es, dass Rory den "armen Tommy Lee" vergiften wollte. Das werden ihm Grims Kumpel heimzahlen. Beim nächsten Schulausflug werfen sie Rory in den Wildwasserfluss, doch als er wieder herauskommt, ist sein Kopf grün. Da im Land bereits eine sich rasch ausbreitende Killerkatzengrippe herrscht, wird befürchtet, dass Rory auch eine ansteckende Krankheit hat. Er kommt in ein Londoner Krankenhaus, in die Isolierstation, hinter deren Glasscheiben die Ärztin Dr. Brightside und Schwester Rock die Kranken beobachten können. Noch weiß niemand, was es mit dieser Grünfärbung auf sich hat. Der zweite Patient in dem Zimmer entpuppt sich als der boshafte Grim. Die Ärztin rät ihnen, dass sie zusammen halten sollten, denn, dass sie zwei Fälle sind, kann beiden helfen. Die Jungen werden täglich untersucht und ihr Grün fotografiert, das Broccoli-Grün genannt wird. 

Weil Grim Schlafwandler ist und spielend Türcodes der Station knacken kann, folgt Rory ihm. Doch als Grim aufs dach steigt und sich vom 12. Stock herunterstürzen will, muss Rory Tommy Lee retten, bekommt ihn am Bein zu fassen und stürzt mit ihm hinab. Die beiden fallen nicht tief, genau in den Korb des Fensterputzers hinein. Mit diesem Korb fahren sie bis zur Strasse hinunter. Da grim unbedingt eine Bank überfallen will, weil er meint, dass er nur im "Böse sein" gut ist, stürmt er in die Disco namens "Bank", fordert von den Tanzenden, ihr Geld seinem Assistenten zu geben und zeigt auf Rory. Die beiden Grüngesichter sehen so seltsam aus, dass sie das Geld der Besucher spielend bekommen, die es als Spende für einen guten Zweck halten. Dann müssen sie fliehen, kommen auf der anderen Seite in Chinatown heraus. Und auch unbemerkt wieder in die Station. So verschwinden sie Nacht für Nacht. später stößt das chinesische Mädchen Koko Kwok zu ihnen, das ebenfalls grün geworden und wegen freilaufender Wölfe aus dem Naturkundemuseum geflohen ist.  Als Tommy Lee einmal etwas Gutes tun wollte, hatte er im Zoo alle wilden Tiere aus ihren Gehegen befreit. Und in London kommt es zum Chaos. Durch das Ausmass der Katzengrippe, die vielen frei laufenden Zootiere in der City und das Gerücht, dass grüne Außerirdische dieses Chaos verursacht haben.

Zum Schluss kommen Koko und Rory mit ihren guten Absichten, London und die Welt zu retten, in den Buckingham Palast. Sie werden aber nicht zur Königin geleitet, sondern zur königlichen Toilette und eingeschlossen, wo sie den Prinzen mit seinem Baby treffen. Dass sie das Baby nicht rauben wollten, die Begegnung ein purer Zufall war, versuchen sie später in der Downingstreet Nr.10 dem Premierminister zu erklären, der Verständnis für die Kinder zeigt, nur nicht weiß, wie er das Chaos seinem Volk erklären soll. Da kommt eine neue Hiobsbotschaft, Tommy Lee hat sich am höchsten Hochhaus von London in 300 m Höhe auf den Ausleger eines Krans vorgewagt. Über das Handy des Premiers erhält Rory die Nachricht, dass er Tommy Lee retten muss, da der seine grüne Farbe verloren habe und nur mit der konnte er sich wie Superman fühlen. Eine schwierige Entscheidung für Rory, eine zwischen Leben und Tod, und für den, der ihm an der Schule so übel mitgespielt hat? Rory zögert... während Koko indessen dem Premier erzählt, wie sie die Welt besser führte.

Ein Buch voller Abenteuer und witziger Einfälle, wie man in einer Stadt wie London Chaos herstellen kann, das vielen Kindern Spaß machen dürfte. Da Rory oft auch an die Comic-Helden seines Vaters denkt, hat das Buch für Comic-Leser einen  besonderen Reiz. Aber es wird auch über ernste Probleme gesprochen: über Freunde und Feinde, gute und böse Absichten, über mangelndes Selbstwertgefühl und das Besonders sein. Am Ende erklärt Dr. Brightside die grünen Kinder zu Helden, da sie eine Anti-Reaktion zur Killerkatzen-Grippe gezeigt haben und so ein Mittel zur Bekämpfung der Epidemie hergestellt werden konnte. Vielleicht hätte es des letzten lebensgefährlichen Abenteuers nicht mehr bedurft, um das neue Freundesband zwischen Rory und Tommy Lee zu demonstrieren, dafür gab es genug Beispiele im Buch. Vielleicht sind auch zu viele Probleme angesprochen worden. Dennoch, Frank Cottrell Boyce hat ein turbulentes, humorvolles Kinderbuch mit modernen Themen und einer sympathischen Stadtbeschreibung von London geschaffen.

Frank Cottrell Boyce ist 1959 in Rainhill, England geboren und lebt heute bei Liverpool. Er schreibt Romane, Drehbücher und Kinderliteratur. Zu seinen bekanntesten Werken gehören der preisgekrönte Roman "Millionen" und die "Tschitti Tschitti Bäng Bäng -Trilogie", in der er an Ian Flemings Klassiker anknüpft. 2004 erhielt er die Carnegie Medal und für sein Buch "Der unvergessene Mantel" 2013 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

 

Holm, Jennifer: Der 14. Goldfisch: Glaub an das Mögliche/ Aus dem Amerikan. - 1. Aufl. - München: Heyne Verl., 2015. -  174 S.; 12,99€

                                                                                                          ab 10 J

 

Das Buch der preisgekrönten amerikanischen Autorin Jennifer Holm "Der 14.Goldfisch"" erzählt von Ellie, elf Jahre alt und ihrem Großvater. Ellie, die in San Francisco lebt, wundert sich, dass ihr Goldfisch, den sie schon im Kindergarten geschenkt bekommen hat, erst in der 5. Klasse stirbt. Nun beichtet ihr die Mutter, dass es schon der 13. Goldfisch war, sie immer wieder einen neuen gekauft habe. Ellies Mutter ist Schauspiel-Lehrerin und ihr Vater Schauspieler, der aber woanders lebt. Auch Nicole, Ellis Babysitterin, will Schauspielerin werden. Nur Elli interessiert sich nicht für die Schauspielerei. Ihr Großvater, der in Havard zweimal promoviert hat, war Wissenschaftler. Er ist ihrer Mutter noch heute böse, dass sie nicht in Havard studiert hat. Deshalb sieht Ellie ihren Großvater nur zweimal im Jahr. Doch gerade als Nicole den Job gekündigt hat, steht ein 14jähriger Junge vor der Tür, der sich als Ellies Großvater Melvin entpuppt. Er erklärt, dass er mit T.Melvinus, ein Mittel zur Rückkehr des Alterungsprozesses entdeckt  und es im Selbstversuch ausprobiert hat.  Trotz des gespannten Verhältnisses zwischen dem Großvater und Ellis Mutter, kommt sein Erscheinen in diesem Moment gerade recht. Die Mutter braucht dringend einen neuen Babysitter für Ellie.

Großvater Melvin geht nun mit Ellie in die Schule, die er ziemlich überflüssig findet und zu wenig naturwissenschaftlich ausgerichtet. Warum muss er denn Salingers "Fänger im Roggen " lesen? In den Gesprächen mit Ellie erzählt er ihr aus seinem Leben als Wissenschaftler und von den Entdeckungen anderer Wissenschaftler wie Isaack Newtons Grundgesetze der Bewegung, von Jonas Salk, der die Polio-Schutzimpfung an sich selbst ausprobierte, von Robert Oppenheimer, der am Bau der Atombombe mitwirkte, von Galileos Beobachtung der Gestirne und den Entdeckungen der französischen Naturwissenschaftler Marie Curies und Louis Pasteurs.

Ellis Freund Raj, der sich für Gothic Metal und altägytische Geschichte interessiert, stellt Großvater als Laboranten ein. Doch den T.Melvinus aus seinem alten Labor zu stehlen gelingt weder dem 14 jährigen Großvater, noch Ellie und Raj. Als es endlich gelingt, macht Großvater nicht weiter. Nach einem Streit mit Ellie, die nicht in der Jugendphase stecken bleiben möchte, sondern älter und erwachsen werden will, während der Großvater das Altern ablehnte und zurück zur Jugend strebte, korrigiert sich der Großvater am Ende. Er hört mit seiner Altersrückkehr-Forschung auf und begibt sich auf Weltreise. Für Ellie war die Zeit mit ihrem verjüngten Großvater eine wichtige  Sache. Er war ihr 14. Goldfisch, er hat ihr Herz und den Blick für die Wissenschaften geöffnet.

Jennifer Holm gelingt es mit Witz und Einfallsreichtum aufregend von den Erfindungen der Naturwissenschaften zu erzählen, von jenen, die die Welt grundsätzlich veränderten. Und  Kinder in leicht

lockerer Erzählweise für die ernsten Wissenschaften zu interessieren. Vor allem drei Grundsätze gibt sie Kindern auf den Weg: Beobachte die Welt! Stelle Fragen! Glaube an das Mögliche! (SBE)

           Boyce, Frank Cottrell (Autor). 1959 geb., lebt bei Liverpool,

                GB 

           Holm, Jennifer ( Autorin), USA


Osterspecial 2021

Die ersten weißen Kniestrümpfe

                                                                     by   Sybille B. Lindt

Als ich ein Kind war, lebte ich in einer Kleinstadt am Rande des Oderbruches, wo Temperaturen von -20° C im Winter keine Seltenheit waren und eine dichte Schneedecke ebenso. Doch wenn der Schnee zu tauen begann, wir nicht mehr die Berge herunterrodeln konnten und alle ungepflasterten Wege matschig wurden, dann sehnten wir Kinder uns nach  dem Frühling. Nach Vogelgesang und den ersten Schneeglöckchen und Veilchen. Danach, dass es endlich wärmer wurde und wir die ersten Kniestrümpfe anziehen durften. Tragen Kinder heute eigentlich noch Kniestrümpfe? Vielleicht unter Hosen? In meiner Kindheit in den 50 ern trugen wir sie stolz. Denn wenn die Zeit der Kniestrümpfe begann, konnten wir uns von den ausgebeulten Trainingshosen und den warmen Strickstrümpfen, die an Leibchen befestigt wurden, endlich befreien.

Wenn es um den 1. April herum warm war, dann durften wir am ersten Sonntag im April weiße Kniestrümpfe anziehen. Darauf waren wir Kinder des Neubaus sehr stolz. Und bedauerten die Ärmsten, denen die Mütter noch keine Kniestrümpfe erlaubt hatten. Wenn es Anfang April noch zu kalt war, dann wurde Ostern der Termin für die ersten weißen Kniestrümpfe.

Wir freuten uns auch auf die ersten Kniestrümpfe, weil das der Beginn unserer Spielzeit vor dem Haus und auf dem Hof mit den Nachbarskindern bedeutete. Wir endlich unsere spiele nach draußen verlegen durften. Vor dem Haus spielten wir Hopse mit Glasscherben, mit Buggern und Murmeln oder "Herr Fischer, Herr Fischer, wie tief ist das Wasser" und "Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann?", mit dem Ball "Halli-Hallo!", Ballspiele an der Hauswand und abends mit den Großen Völkerball auf der Straße. Nur selten verirrte sich damals ein Auto in unsere Kleinstadt. Völkerball war ein Wettkampf für alle, Groß und Klein spielten in einer Mannschaft. Die Mütter, einige Väter und Nachbarn standen vor den Haustüren beisammen, tratschten und feuerten uns beim Spiel an. Auf dem Hof des Neubaukarrees standen viele unübersichtliche Schuppen und Holzstapel, ideal zum Versteckspiel. An unserer Ecke hatte Großmutter eine Trauerweide gepflanzt unter der wir Kinder uns auf Decken im Grase zusammenfanden, mit unseren Puppen spielten, Bücher lasen oder darüber sprachen. Es war damals noch eine Zeit ohne Fernseher, CD-Player, Computer, Workman und Smarthphone und doch fehlte uns nichts, wenn wir nur ohne die Erwachsenen spielen durften. Wir waren so mit dem Spielen beschäftigt, dass die Zeit bis zum Abendbrot, wenn Großmutter zum Essen rief, uns immer viel zu kurz vorkam.

Zu Ostern machten wir tatsächlich immer einen Osterspaziergang mit der Familie. Als meine jüngere Schwester und ich so im vorschul- und Grundschulalter waren, spazierten unsere Eltern Ostern mit uns in das fünf Kilometer entfernte Nachbardorf Gusow, um dort eine mit den Eltern befreundete Lehrersfamilie zu besuchen. Dort war es immer lustiger als bei uns zu Hause. Der Vater spielte volkstümliche und lustige Lieder auf der Geige, die wir Besucher-Kinder begeistert mitsangen. Sicher hatte dieser begnadet leicht spielende Lehrer seinen Anteil daran, dass ich später auch das Geigenspiel erlernen wollte. Es aber nie zu seiner Vollkommenheit brachte. Einfach so, die Geige zu nehmen und aus dem Hut, locker und mit viel Gefühl und Temperament aufzuspielen, ganz ohne Noten. Unterwegs gab es für uns Kinder natürlich immer das eine oder andere Osterei am Straßenrand zu suchen. Die plötzlich auftauchten, ohne dass wir bemerkten, ob der Osterhase oder Mutter sie versteckt hatten. Wenn wir wieder nach Hause kamen, waren wir mit fünf oder sechs Jahren zehn Kilometer am Tag gelaufen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal schlapp machten oder die Strecke als anstrengend empfanden. Wir wussten damals allerdings auch nicht wie weit der Weg war, wie viele Kilometer wir gelaufen. Als das nette Lehrerehepaar aus dem Dorf wegzog, machten wir mit der älteren Schwester und unseren Verwandten, die aus Berlin oder Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt oder aus einem Dorf bei Magdeburg Ostern zu Besuch gekommen waren, auf der Anhöhe vor der Stadt einen Osterspaziergang. Wir streiften durch die Berge bis zum 

weit sichtbaren Ehrenmal, für die bei der letzten großen Schlacht vor Berlin im Oderbruch gefallenen Sowjetsoldaten. Den riesigen bronzenen Soldat mit einem Gewehr vor der Brust schuf der bekannte russische Bildhauer Lew Kerbel im Herbst 1945. Das Denkmal, wie die Einheimischen das Ehrenmal nannten, war ein beliebtes Foto-Motiv bei Spaziergängern, ohne dass wir uns als Kinder des Hintergrundes bewusst waren oder drüber nachdachten. Der Berg mit dem Ehrenmal, der in den Abendstunden gern von Liebespaaren aufgesucht wurde, hieß bei den Einheimischen "Verschönerungsberg". Nach dem Denkmal spazierten wir zum Bahnhof, der zwei Kilometer von der Stadtmitte entfernt war und setzten uns in das Gartenlokal des Bahnhofs, das oft mit bunten Glühbirnen, Birkenreisern und Lampions geschmückt war. Hier bekamen wir Kinder die ersehnte himbeerrote Brause. Die Ostereier hatten wir schon unterwegs in den Bergen gefunden, sie lagen plötzlich im Grase als bunt gefärbte Eier oder winzige Schokoladen-Eier oder kleine Schoko-Osterhasen. Auch bei diesen Spaziergängen durch die Berge über das Denkmal zum Bahnhof und wieder in die Stadt zurück merkten wir Kleinen die Kilometer in den Beinen nicht.

Auch zu Ostern trugen wir stolz unsere weißen Kniestrümpfe. Ein Malheur war nur, wenn wir beim Spielen und Toben in eine Dreckpfütze stolperten und mit völlig verschmutzten nicht mehr weißen Kniestrümpfen nach Hause kamen. Dann schimpfte Mutter uns aus, obwohl es doch Ostern war und sie das hätte voraussehen könne. Mit weißen Kniestrümpfen so zu spielen, dass sie nachher noch schneeweiß aussahen, das schaffte kein Kind aus unserem Haus.

 

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